Ort: Hamburg, Übersee-Club
Datum: 15.10.2012, 19.30 Uhr bis 21.30 Uhr
Die Statements der Referenten (alphabetische Reihenfolge):
- Dr. Martine Herpers, Vorsitzende von erfolgsfaktor FRAU e.V.
- Dr. Viktoria Kickinger, Vorsitzende der Initiative Aufsichtsräte in der EU (INAR/EU)
- Dr. Ralf Kleindiek, Staatsrat, Behörde für Justiz und Gleichstellung, Hamburg
- Prof. Dr. Peter Ruhwedel, FOM Hochschule für Ökonomie und Management, und Regionalrat der Financial Experts Association e.V.
- Prof. Dr. Bernd Schichold, Beiratsvorsitzender, Financial Experts Association e.V.- Dr. Kirsten Soyke, Vorstand des FidAR e.V.
- Frauen in die Aufsichtsräte- Katja Suding, Fraktionsvorsitzende der FDP in der Hamburger Bürgerschaft
Dr. Martine Herpers, Vorsitzende von erfolgsfaktor FRAU e.V.:
„Seit 2008 treten wir mit der Nürnberger Resolution, die von vielen
Prominenten und Frauen/Männern aus allen Parteien unterzeichnet wurde,
für gesetzlich festgeschriebene Gender-Quoten für Aufsichtsräte nach
norwegischem Modell ein. Explizit unterstützen wir die Berliner
Erklärung, die mit Frau Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen an der
Spitze, von Bundestagsabgeordneten aus allen Parteien getragen wird.
Die Quote ist ein Mittel, um einen gewünschten Zustand zu erreichen. In
diesem Sinne kann es nur allen Unternehmen nahegelegt werden, sich
innerhalb der Organisation selbst Ziele zu setzen, wie es z.B. die
Deutsche Telekom getan hat und es in vielen amerikanischen Firmen seit
10 – 20 Jahren üblich ist. Wir fordern die Gender-Quote für die
Qualität, da Frauen ähnlich gut ausgebildet sind wie Männer, ihre
Fähigkeiten aber durch Rollenstereotype und nicht hinterfragte
gesellschaftliche Strukturen unsichtbar sind und nicht zur Geltung
kommen. Wir plädieren für eine rasche Einführung des Gesetzes, weil mit
diesem Gesetz eine Entspannung in der politischen und
unternehmensinternen Diskussion eintreten würde, die begleitende
sinnvolle Maßnahmen, wie die Ausgestaltung eines professionellen
Nominierungsprozesses für Aufsichtsräte, überlagert. Nach einigen Jahren
wird sich niemand mehr über die Gender-Quotierung aufregen, sondern sie
als Bereicherung für eine erfolgreiche Aufsichtsratsarbeit ansehen.“
Dr. Viktoria Kickinger, Vorsitzende der Initiative Aufsichtsräte in der EU (INAR/EU)
„Die Diskussion auf die Forderung nach mehr Frauen in Aufsichtsräten zu
reduzieren halte ich für politischen Aktionismus; für Aufsichtsrätinnen
muss die Politik keine Infrastruktur zur Kinderbetreuung oder
Familiengestaltung bereitstellen: Ablenkung! Es geht vielmehr darum, der
Generation unserer Töchter solche Rahmenbedingungen zu schaffen, dass
sie in Entscheidungspositionen kommen wollen und können. Die
Gesellschaft ist gefordert, das Wertesystem zu ändern und „Familie“
und damit auch „Gleichwertigkeit Mann/Frau“ im Wertesystem an erster
Stelle anzusiedeln. Unabhängig davon bezieht sich die Forderung der
Europäischen Kommission nach Einführung einer Quote für
Aufsichts-rätinnen auf ein begriffliches Missverständnis: Hier ist das
angelsächsische monistische gesellschaftsrechtliche System gemeint, das
One–Tier–System der Verwaltungsräte. Ganz eindeutig ist hier unser
duales System – Aufsichtsrat/Vorstand – nicht berücksichtigt.“
Dr. Ralf Kleindiek, Staatsrat, Behörde für Justiz und Gleichstellung, Hamburg:
„Alle sind sich einig, dass wir mehr Frauen in Führungspositionen
brauchen. Wenn dieses Ziel auf freiwilliger Basis so krass verfehlt
wird, ist es Aufgabe des Staates, dagegen zu steuern. Es ist eine Frage
von gesellschaftlicher Gerechtigkeit, dass Frauen in allen Bereichen
unseres Lebens teilhaben können. Ich bin zusätzlich davon überzeugt,
dass die Arbeit in gleichmäßig von Frauen und Männern besetzten Gremien
besser funktioniert. Eine verbindliche Quote ist die beste Lösung.“
Prof. Dr. Peter Ruhwedel, FOM Hochschule für Ökonomie und Management, und Regionalrat der Financial Experts Association e.V.:
„Im Aufsichtsrat fehlen häufig strukturierte, an klaren
Anforderungsprofilen orientierte Besetzungsprozesse. Dies erschwert den
Übergang von einer netzwerkorientierten zu einer eignungsorientierten
Besetzung, wodurch eine Erhöhung des Anteils weiblicher Kandidaten
behindert wird. Daher sollten umfassende Informationen über die
Aufsichtsratskandidaten und eine Begründung für den Wahlvorschlag durch
die Unternehmen bereitgestellt werden, so dass eine intensive Auswahl
und Vorbereitung der Kandidaten erforderlich wird. Eine Erhöhung des
Anteils von Frauen sollte schrittweise erfolgen, um die Kontinuität und
Arbeitsfähigkeit in den Aufsichtsräten nicht zu gefährden. Unterstützend
könnte die Einführung von Höchstmandatsdauern und eine Absenkung der
Altersgrenze im Aufsichtsrat wirken, da hierdurch die Fluktuation erhöht
wird. Verbindliche Quoten von 40% sollten jedoch nicht die Regel
werden, da sie die Wahlmöglichkeiten der Unternehmen unnötig
einschränken.“
Prof. Dr. Bernd Schichold, Beiratsvorsitzender, Financial Experts Association e.V.:
„Das Eignungsprinzip sollte bei der Besetzung von Aufsichtsräten im
Vordergrund stehen. An wen der Anteilseigner seine Kontrollfunktion in
Bezug auf die Geschäftsführung delegiert, sollte ganz allein ihm selbst
überlassen bleiben. Staatlich initiierte Eingriffe in diese
Entscheidungsautonomie lehne ich ab.“
Dr. Kirsten Soyke, Vorstand des FidAR e.V. – Frauen in die Aufsichtsräte:
„Da die deutsche Wirtschaft ihre formulierte Selbstverpflichtung seit 10
Jahren ignoriert, die Wiederholung einer solchen nur geringfügige
Wirkung zeigen wird, halte ich eine gesetzliche Quote für die
Aufsichtsräte (nicht nur der börsennotierten Unternehmen) für
erforderlich. Die Erhöhung des Frauenanteils in den Aufsichtsräten ist
nur ein erster notwendiger Schritt, um Chancengleichheit in der
Wirtschaft zu verwirklichen: In den Vorständen und im Top-Management
besteht ebenfalls dringender Handlungsbedarf. Um die nötigen
Veränderungsprozesse in Gang zu setzen, muss darüber hinaus eine
gesetzliche Verpflichtung zur Transparenz bei den Auswahl- und
Entscheidungsprozessen nach innen und außen bestehen. Nur so ist eine
Veränderung der nur aus persönlichen Netzwerken rekrutierten Vorstände
und Aufsichtsräte und daraus resultierenden männlich geprägten
Unternehmenskultur möglich. Veränderungen in der Unternehmensstruktur
und der gesellschaftlichen Rollenzuschreibungen sind erforderlich, um
Deutschlands Wirtschaft zukunftsfähig zu machen. Wissenschaftliche
Studien und zahlreiche Praxisbeispiele belegen, dass Diversität in den
Aufsichtsgremien und Top-Führungspositionen ein wichtiger Faktor für den
Unternehmenserfolg ist. Mit gemischten Teams sind die Diskussionen
differenzierter, die Entscheidungsfindung risikobewusster und die
Unternehmensführung insgesamt optimiert.“
Katja Suding, Fraktionsvorsitzende der FDP in der Hamburger Bürgerschaft:
„Die Quote ist ein unnötiger und inakzeptabler Eingriff in die
Eigentumsrechte von Aktionären. Ein wesentlich intelligenterer
Ansatzpunkt ist der Nominierungsprozess von Aufsichtsräten. Und da muss
sich nachvollziehbar der kompetenteste Kandidat oder die kompetenteste
Kandidatin durchsetzen. Das liegt klar im Interesse des Eigentümers –
und deshalb brauchen wir hier auch kein neues Gesetz. Im Übrigen haben
da gerade öffentliche Unternehmen noch extrem viel Nachholbedarf,
besonders dort wo Aufsichtsräte fast ausschließlich mit Politikern
besetzt sind oder Politiker gleich eine Vielzahl von Mandaten
wahrnehmen. Eine effektive Kontrolle kann dann kaum erfolgen. Das muss
sich dringend ändern.“